Europäischer KI-Index

By
Mathias Keswani
13.3.2025
5 min read

Europäischer KI-Index

Europa bemüht sich, ein Gegengewicht zur amerikanischen und chinesischen KI-Dominanz zu bilden. Doch der Weg ist lang und geebnet von strukturellen, finanziellen und technologischen Herausforderungen.

Während 73 Prozent aller amerikanischen Unternehmen künstliche Intelligenz im Alltag einsetzen und in China sogar 83 Prozent, sind die Unternehmen in den Ländern der Europäischen Union noch wesentlich zurückhaltender.

Vor allem in Deutschland, als größter Volkswirtschaft in der Europäischen Union, bleibt der erhoffte Produktivitäts-Boost durch den Einsatz der Technologie noch aus. Die Zurückhaltung der deutschen Unternehmen lässt sich laut einer Studie der Boston Consulting Group (https://www.bcg.com/press/15january2025-zukunftstechnologie-ki-2025-trifft-weltweite-dynamik-auf-deutsche-zuruckhaltung) auf regulatorische Herausforderungen, Datenschutzbedenken und die Angst vor Kontrollverlust zurückführen. Hinzu kommt, dass vielen noch das Verständnis für die Technologie fehlt und KI-Implementierungen wie Software-Einführungen vorgenommen werden, was wiederum zu schlechten Ergebnissen und Ernüchterung im Management führt.
Viele Unternehmen erlauben ihren Mitarbeitern beispielsweise nur die Nutzung eines ausgewählten KI-Tools, das vermeintliche Datensicherheit suggeriert. Dabei können hervorragende LLMs mittlerweile lokal betrieben werden und Datenschutzbedenken entkräften. Hier bedarf es mehr Transparenz und unabhängiger Aufklärung, damit Regulatorik, basierend auf eingetrübten Informationsquellen, nicht zu einem dauerhaften Wettbewerbsnachteil und irreversiblen Abhängigkeiten führt.

Die Investitionen in Start-ups steigen zwar leicht an, bewegen sich aber immer noch auf einem überschaubaren Niveau. Hinzu kommt, dass auch europäische Start-ups oftmals auf amerikanisches Venture Capital angewiesen sind, wenn sie wachsen wollen – oder, wie im Falle des europäischen Vorzeige-KI-Start-ups Mistral AI, enge Kooperationen mit bereits führenden KI-Unternehmen wie Nvidia eingehen. Nach wie vor fehlt in Europa ein Ökosystem, in dem junge Start-ups ausreichend finanziert und gefördert werden.

Die besten Finanzierungschancen haben Start-ups in England, wo jährlich 17 Milliarden Euro an Investments in junge Tech- und Digitalfirmen fließen. Auf dem zweiten Platz folgen Frankreich und Deutschland mit jeweils knapp 8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Amerikanische Start-ups wurden 2024 mit 128,8 Milliarden Dollar finanziert.

Gezielt in KI-Start-ups wurden in Frankreich 1,3 Milliarden Euro, in Deutschland 910 Millionen und in England sogar nur 318 Millionen Euro investiert. Alle weiteren Länder der EU veröffentlichen hierzu keine verlässlichen Zahlen.

Unabhängig von all der aktuellen Zurückhaltung europäischer Unternehmen wird künstliche Intelligenz die Game-Changing-Technologie der kommenden Dekaden werden. Auch wenn ein effizienter Umgang mit generativer KI von den Anwendern in der breiten Masse erst noch erlernt werden muss, wird die Technologie sich tiefgreifend in Unternehmen verankern und zahlreiche Prozesse optimieren sowie automatisieren.
Dementsprechend muss die digitale Infrastruktur in Europa signifikant und schnell ausgebaut werden. Aktuell befinden sich ca. 16 Prozent der weltweiten Hyperscale-Rechenzentren in europäischen Ländern und produzieren knapp 10 GW an Rechenleistung bei einem Stromverbrauch von 62 TWh pro Jahr, was in etwa 2 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Europäischen Union umfasst. Bis 2030 wird die erwartete Rechenlast 35 GW betragen, und der Stromverbrauch steigt auf 150 TWh an.
Zum Aufbau dieser Infrastruktur benötigt es nicht nur zwischen 250 und 300 Milliarden Euro, sondern auch Bauland, Fachkräfte, moderate Strompreise und einen flächendeckenden Glasfaserausbau.

60 Prozent aller Hyperscale-Rechenzentren werden aktuell von drei Tech-Konzernen betrieben: Amazon (AWS), Microsoft und Google. Wenn Europa Datensouveränität will, dann müssen künftige Investitionen federführend aus der EU herauskommen.

Eine der führenden Rollen nimmt Europa im Bereich der KI-Zukunftstechnologien ein. So befindet sich Deutschland nach China beispielsweise auf dem zweiten Platz im Bereich der Quantencomputer-Forschung.
Dem deutschen Unternehmen Carl Zeiss ist nach zwanzig Jahren Forschung ein revolutionärer Durchbruch in der Chip-Herstellung gelungen. Unter dem griffigen, eingängigen Namen „High Numerical Aperture Extreme Ultraviolet Lithography“ (kurz: High-NA-EUV) ist es Zeiss und seinem niederländischen Partner ASML (dem einzigen Unternehmen der Welt, das dazu in der Lage ist, solche präzisen Chip-Produktionsmaschinen herzustellen) gelungen, eine Serienproduktion zu fertigen, die jetzt bereits von Intel eingesetzt wird und dazu führt, dass künftig aus 100 Milliarden Transistoren auf einem Chip eine Billion Transistoren werden.
Dieser technologische Quantensprung macht künftige KI-Chips nicht nur extrem performanter, sondern senkt auch den Stromverbrauch der Rechenzentren.

Fazit: Europa macht große Fortschritte in der Entwicklung und im Einsatz von künstlicher Intelligenz. Vor allem in Forschung und Entwicklung zukünftiger Grundlagen-Technologien für KI sind europäische Unternehmen und Institutionen führend. Unternehmen dürfen sich beim Einsatz von künstlicher Intelligenz jedoch nicht auf das Henne-Ei-Prinzip berufen und darauf warten, dass die europäische KI-Infrastruktur mit der amerikanischen gleichzieht, sondern müssen jetzt ihre Bestrebungen ausbauen, künstliche Intelligenz breit und übergreifend in ihre Prozesse und Arbeitsabläufe zu integrieren.

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